Achtung, Spoiler!
"Interessiert uns das?", fragte Mikosch mich Ende März bei der Ankündigung dieses Buches. "Mich so gar nicht, ehrlich gesagt", war meine Reaktion.
Nun, das habe ich nach dem Release des Hörbuchs dann doch sehr schnell über den Haufen geworfen
Nein, ich brauche erwachsene drei ??? nicht zwingend. Es genügt mir schon, dass Erlhoff, Minninger und Marx regelmäßig die Grenzen ausdehnen und testen, wie weit sie es in der Hauptserie mit Mord, Totschlag und illegalen DDF-Aktivitäten treiben dürfen. Alles, was außerhalb der Rohrbeck/Wawrczeck/Fröhlich-Bubble passiert, interessiert mich wenig. Ich kaufe keine Fanartikel, ich hab nicht ein einziges Buch der RB Crimes komplett gelesen, ich höre DDF Kids nicht, die Filme interessieren mich so gar nicht und ich habe auch die bisherigen Versuche, DDF erwachsen darzustellen, problemlos ignoriert. Kurz gesagt: Was mich nicht juckt, blende ich einfach aus.
Ich bin hier auch nicht mit dem festen Ansatz herangegangen, es auf jeden Fall durchzuhören. Eigentlich war es mehr ein "Ich höre mal spontan rein und gucke, wie es aufgezogen wird". Irgendwann war ich dann aber doch so weit in der Geschichte drin, dass mir klar war: Ich höre es durch.
Ich habe dabei den Prolog nach den ersten Sätzen übersprungen, weil ich dachte, vielleicht spoilert mich der unnötig und ich wollte in erster Linie Szenen mit den drei Detektiven hören. Jetzt nach Beendigung des Hörbuchs muss ich den Prolog noch nachholen. Mir hat jetzt aber zum Verständnis nichts gefehlt.
Die hier erzählte Geschichte ist natürlich gleich an zwei Ecken interessant:
1. Der Plot an sich mit der aus dem Dschungel zurückgekehrten Frau, die eigentlich tot war
2. Das Zerwürfnis der drei ??? und wie sie wieder zusammenfinden
Zu 1.: Die Geschichte ist interessant und obwohl man denken könnte, dass man hier mit Charakteren förmlich erschlagen wird, ist dem nicht so. Tatsächlich ist die Storyline ab einem gewissen Punkt sogar eher zu gradlinig und überraschungsarm. Eschbach ist sehr darauf bedacht, die Leser nicht zu überfordern und versteht es, jede Figur passend einzuordnen. Man fragt sich kein einziges Mal, wer diese und jene Person nochmal gleich war. Das ist wirklich hervorragend gelungen! Dadurch, dass hier zwei sehr dominante Figuren jeweils eine andere Version der Geschichte präsentieren, wird es schnell spannend, weil natürlich klar ist, dass eine von beiden lügen muss. Spätestens, als Peter dann auf die Spur von Laura Cunningham stößt, wird aber dann doch klar, worauf es am Ende hinausläuft. Da nimmt Eschbach dann doch noch ziemlich viel Anlauf, um die Geschichte zu einem runden Ende zu bringen. Und obwohl keine Szene überflüssig scheint, fehlen in der zweiten Hälfte einfach ein paar Wendungen.
Ehrlich gesagt habe ich Tracy auch schon enorm früh verdächtigt. Wie sie sich Justus' Vertrauen erschleicht und ständig extrem vage von ihren Erlebnissen im Dschungel spricht, das war einfach sofort verdächtig. Was falsche Fährten angeht, bietet die Geschichte nicht allzu viel. Da zieht ein Autor wie Fitzek deutlich dran vorbei.
Der Fall ist eine Mischung aus Kriminalfall und Abenteuer und bleibt dabei meistens im ruhigen Fahrwasser. In den ersten zwei Dritteln sind es vor allem die Perspektivwechsel, die für eine gute Dynamik sorgen. Immer wenn ein Detektiv gerade keinen Faden mehr hat, bekommt ein anderer einen neuen. Das geht ein wenig flöten, als die drei ??? dann - tatsächlich eher spät - zusammengeführt werden.
Ich habe mir auch immer wieder im Kopf Notizen gemacht, ob man den Fall als normale, reguläre Folge innerhalb der Serie vertonen könnte mit weiterhin jugendlichen Drei ??? und ohne die ganzen neuen Hintergrundgeschichten. Mein Fazit wäre: Ja, aber man müsste sicherlich einiges umstellen, teilweise entschärfen und dem Fall an ein, zwei Stellen auch ein bisschen mehr Pepp/Action beimischen, da es sonst ein recht dialoglastiges Hörspiel wäre. Es wird sehr viel recherchiert, aber nur wenig Bedrohung erlebt. Zudem müsste man sich überlegen, wie man mit der Schamanensache umgeht, weil es einfach nicht zu einem jugendlichen Justus passen würde, Interesse an der Suche nach diesem zu haben. Ferner würde ich statt Bob alle drei nach Brasilien schicken.
Zeitlich ist das Buch schwer einzuordnen. Es muss mit der Problematik umgehen, dass DDF in den 70er/80er-Jahren jugendlich waren und die Handlung Mitte der 2020er spielt. Diesen Spagat scheint Eschbach zunächst damit lösen zu wollen, dass es nach den Classics vorbei war mit den Fragezeichen, was natürlich alle Folgen über 46 aus der Historie löscht, aber was willst du machen? Leider verheddert er sich dann, als nicht nur die BJHW-Ära erwähnt wird, sondern auch damit, dass die drei ??? aus der Telefonlawine eine E-Mail-Lawine gemacht haben. Das war erst um Folge 100 herum der Fall und dann passt es einfach nicht mehr, dass nach dem Zerwürfnis der ??? "das Internet aufkam". Das war da nämlich schon da. Schade, bis dahin hätte ich es durchgehen lassen, man hätte die E-Mail-Lawine hier einfach als eine neue Abwandlung der altbekannten Telefonlawine darstellen müssen, vielleicht bessert man das noch in der zweiten Auflage aus. Kirschkuchen und Dietrichset müssten eine Erfindung von BJHW gewesen sein, oder? Ich würde den Cut wohl spätestens nach Dreckiger Deal setzen. Und das ist bereits großzügig.
Was Hitfield angeht, bin ich nicht so tief im Thema drin, ich hab jetzt nicht vorher nochmal das Narbengesicht gehört (mag die Folge nicht) und kann daher nicht sagen, wie viel Eschbach hier erfunden hat bezüglich seiner Familiengeschichte. Auch den zufällig auf dem Foto eingefangenen Moment mit DDF bei einer Fallbesprechung am Strand konnte ich aus dem Kopf nicht zuordnen.
Das Buch bewirft den Leser/Hörer nicht mit Fanservice. Ich hatte den RB Crimes-Band von Hugenay mal zwei, drei Kapitel lang angelesen und da war es ganz schlimm, alle paar Zeilen wurde da ne Anspielung rausgehauen. Das ist hier deutlich dezenter und fast alles stimmig an den richtigen Stellen eingearbeitet. Auch das etwas kitschig geratene Ende störte mich tatsächlich nicht, ich fand es süß und irgendwie passend.
Das Einzige, was mir einer zu viel war, war die Rolle von Skinny Norris. Rechtsanwalt, really? Da hilft es auch nicht, dass das von den Charakteren selbst als unglaubwürdig empfunden wird. Finde eh, dass das ein sehr bequemes und keinesfalls sinnvolles Stilmittel ist, wenn sich Charaktere über die Unglaubwürdigkeit und Absurdität von Storyelementen lustig machen. Das zeigt halt, dass der Autor das selber bescheuert findet, aber keine bessere Lösung parat hat.
Man muss hier halt auch sagen: Skinnys Rolle ist in den Neuzeitfolgen eine völlig andere als in den Classics. Damals war er der rotzige Junge, der den drei ??? mal Streiche spielte oder sie irgendwo einschloss. Ab Folge 100 mutierte er regelmäßig zum Kleinkriminellen. Er könnte, wenn man nur die Klassiker nimmt, in der Tat Rechtsanwalt werden. Aber wenn der Break mindestens nach Toteninsel war, dann passt es irgendwann nicht mehr. Spätestens bei "Im Zeichen der Schlangen" wäre eine solche Karriere nicht mehr möglich gewesen.
Ferner hat es mich geärgert, dass Kellys Nachname falsch genannt wurde. Das ist nun wirklich Schlamperei.
Zu 2.: Der Umgang mit den drei Fragezeichen ist im ersten Moment sicherlich etwas befremdlich. Eschbach nimmt sich da durchaus einige Freiheiten und zehrt davon, dass 30-40 Jahre vergangen sind (so genau wird das irgendwie nie so richtig klar. Mal sind es eher 30, mal eher 40, das hängt ein wenig in der Luft. Vielleicht aber auch bewusst, da DDF ja doch eine sehr lange Kindheit hatten

). Die Detektive gehen anders miteinander um, verhalten sich anders, aber dennoch sind ihre damaligen Grundzüge immer noch erkennbar. Auch Tante Mathilda hat mir gut gefallen.
Bei Justus und Bob passt der kreierte Hintergrund ganz gut und er wird auch stimmig in die Geschichte eingebracht. Justus hätte ich vermutlich ganz genauso geschrieben, weil ich ihn einfach auf dem Schrottplatz sehe.
Peter wirkt dagegen etwas weit hergeholt, wenn man den "Hö, was isn ein Computervirus?"-Peter noch im Ohr hat. Auch seine offenbar sehr große Geografie-Vorliebe ist irgendwie an mir vorbeigegangen - wird die in den Büchern näher beschrieben oder kommt die aus dem Nichts? Kann mir das gerade nicht so vorstellen, dass Jens Wawrczeck sich als Peter ganz dolle über nen Globus zur Hochzeit freut.
Man muss aber dazu sagen, dass Eschbach diesen Hintergrund nicht grundlos wählt und er natürlich wichtig ist, damit DDF sich aufeinander zubewegen können. Mir fehlt nur ein bisschen eine Erklärung, warum es mit Sport nichts geworden ist.
Die Zerwürfnis-Geschichte finde ich alles in allem sehr stimmig umgesetzt. Noch besser hätte es für mich nur gepasst, wenn die "Der Zweck heiligt die Mittel"-Diskussion während eines Falles eskaliert wäre. Aber ich kann verstehen, warum Eschbach lieber was Privates, von einem Fall Losgelöstes wollte. Auch wie im Verlauf des Buches damit umgegangen wird, finde ich gut gelungen. Peter kommt beim Gedanken an Justus nach all den Jahren sofort wieder die Galle hoch, aber irgendwann weiß er dann auch gar nicht mehr, was er ihm vorwerfen soll. Das ist stimmig verarbeitet und dass das erste Wiedersehen dann passiert, als Peter verletzt ist, passt sehr gut. Justus' vorheriges Intermezzo mit der Ärztin wirkt zunächst seitenfüllend, aber ich glaube, das wurde gemacht, um deutlich zu zeigen: Justus ist das wichtig und er fährt nicht gleich wieder nach Hause.
Was für mich nicht so richtig passt, sind Justus' Liebesgeschichten. Er interessiert sich wirklich krass schnell für die deutlich jüngere Tracy, das finde ich etwas weird. Bob hätte für so was doch deutlich eher gepasst. Gerade weil hier viel mehr Platz für die Geschichte war als in einem regulären Buch, hätte man die "Brittany"-getränkte Storyline viel runder erzählen können.
Alles in allem merkt man schon, dass hier viel Recherchearbeit drinsteckt, sowohl bezüglich DDF als auch wegen der eigentlichen Handlung. Wenn das, was hier zu den indigenen Völkern erzählt wird, falsch ist, hat Eschbach es zumindest glaubwürdig verkauft. Auch wenn es sich im letzten Drittel etwas zieht, hab ich mich nirgendwo extrem gelangweilt und auch ein bisschen dazugelernt. So soll es sein.
Bezüglich der Härte: Die hätte man nicht unbedingt gebraucht. Ich finde es okay, dass hier Morde durchgezogen wurden, wenn man das in der Hörspielfassung nicht drin haben will, kann man es aber auch relativ einfach entschärfen. Es ist jetzt nicht so, dass die Handlung gar nicht mehr funktioniert, wenn man die Morde streicht. Angesichts der Tatsache, dass in zwei Dritteln des Buches überhaupt keine härteren Passagen enthalten sind, wirkte das auf mich auch ein bisschen, als wolle Eschbach zum Schluss nochmal seine Freiheiten ausleben. Geschenkt. Ich hätte den Ton vielleicht etwas früher rauer gemacht.
Dem Sprecher habe ich gerne zugehört, auch wenn er Bob etwas sehr hoch anlegt, der dadurch streckenweise rotzig klingt. An einer Stelle hat er einen Hänger (Szene mit Justus und der Auftraggeberin im Restaurant) und Kellys Nachname ist wie gesagt falsch - ansonsten gibt es soweit keine Patzer. Nur die Pausen sind bei Szenenwechseln teilweise zu kurz.
Der Schreibstil ist flüssig und angenehm. Die Sätze sind weder verschachtelt, noch zu einfach gehalten.
Ich habe zunächst 8 Punkte gegeben, würde jetzt aber eher auf 7 korrigieren. Ob ich mir einen zweiten Band noch anhören würde, weiß ich aktuell nicht. Kommt vielleicht auf den Plot an. Wenn man Fitzek für das Projekt gewinnt, dann auf jeden Fall
Fazit: Mit Abstrichen eine gelungene Interpretation, die sich zwar einige Freiheiten nimmt, aber alles in allem gut passt. Der Fall ist interessant, hat aber zu wenige Wendungen und hätte nicht so gradlinig verlaufen müssen. Trotzdem kann ich eine Empfehlung aussprechen.
7/10